Vollendet in Ihm (10. Brief)

Lieber ...,

"Es ist gut", sagt die Heilige Schrift, "dass das Herz durch Gnade befestigt wird." {Heb 13,9.} Der Gläubige, der in Gottes Wort unterwiesen ist und sich darum der Gnade Gottes und seiner herrlichen Stellung in Christus Jesus erfreut, wird durch die vielfältigen und gewiss schmerzlichen Verwirrungen und Verirrungen in der Christenheit nicht in der Gewissheit der Wahrheit erschüttert werden. Er wird sich vielmehr um so inniger an den Herrn klammern und auf Gottes Wort stützen und darum auch in der Kraft der Gnade seinen Weg weitergehen. Gottes Wort sagt ihm, dass es so kommen wird in der christlichen Kirche, wie es gekommen ist: Es sollten von außen "verderbliche Wölfe hereinkommen, die die Herde nicht verschonen", und von innen "Männer aufstehen, die verkehrte Dinge reden, um die Jünger abzuziehen hinter sich her". (Apostelg. 20,29-30.)

Der wahre Christ ist durch die Erkenntnis der herrlichen Person und des vollkommenen Werkes Jesu Christi nach Herz und Gewissen zur Ruhe und zum Frieden gekommen. Was könnte ihm da ein religiöses System, klein oder groß, in sich bieten, das er nicht schon in Jesus empfangen hätte? Soll er hier erst Vergebung seiner Sünden und Rettung vor dem ewigen Gericht suchen? Er besitzt ja beides: Vergebung und Rettung in Jesus (Epheser 1,7; Joh. 5, 24). Soll er hier erst sich ewiges Leben und Gewissheit der Seligkeit erwerben? Auch das hat er ja bereits in Jesus (Joh. 3,36, 2. Kor. 5,1). Soll er hier erst Gottes Kindschaft und die Versiegelung durch den Heiligen Geist erlangen? Beides ist ja schon in Jesus Christus sein Teil (Joh. 1,12; Röm. 8,16; 2. Kor. 1,21.22).

Der Gläubige hat alles in Christus Jesus. Er steht in Ihm vor Gott nach dem Wert Seines göttlich vollkommenen Erlösungswerkes und Seiner unschätzbaren Person. "Wenn jemand in Christus ist, da ist eine neue Schöpfung". (2. Kor. 5,17.) Und weiter hören wir den Apostel allen Gläubigen die wunderbaren Worte zurufen: "Aus Ihm (d. h. nach Gottes Ratschluss und Heil) aber seid ihr in Christus Jesus, der uns geworden ist Weisheit von Gott und Gerechtigkeit und Heiligkeit (o. Heiligung; Geheiligtsein) und Erlösung, damit, wie geschrieben steht: Wer sich rühmt, der rühme sich des Herrn!" (1. Kor. 1,30.31.)

Als die Christen in Galatien und Kolossä in Gefahr waren, etwas neben Christus zu suchen, indem schon damals durch die List des Feindes eine weltliche oder fleischliche Religion, ein Gemisch von jüdischen Vorbildern, Zeremonien und Satzungen mit heidnischer Weltweisheit, den Christen angepriesen wurde, wodurch ihre am Kreuz in Christus mitgerichtete unverbesserliche, sündhafte alte Natur fromm gemacht werden sollte, wie eiferte da der Apostel im Hei ligen Geist gegen diese Scheinheiligkeit und zugleich für die Vollkommenheit der Stellung, die uns Gott in Jesus Christus verliehen hat! Er ruft aus: "Wer euch aber verwirrt, der wird das Urteil tragen, wer er auch sei! (...) Ich wollte, dass sie sich auch abschnitten, die euch aufwiegeln." (Gal. 5, 10.12.) Und den Gläubigen in Kolossä stellt er am Anfang seines Briefes die hohen Würden und Herrlichkeiten Jesu Christi, ihres Erlösers, vor Augen, wie alles "durch Ihn" ist (lies das ganze erste Kapitel des Kolosserbriefes); und dann zeigt er weiter im 2. Kapitel, wie wir alles "in Ihm" haben. Er will so die Herzen von den "schwachen und armseligen Elementen" (Gal. 4,9; Kol. 2,8.20) neu hinlenken zu Jesus, dem Herrn der Herrlichkeit, und zu der ewigen Fülle in Ihm.

Der Apostel fragt sie dann sozusagen: "Könnte euch durch irgendwelche Weltweisheit Gott in größerer Fülle darge stellt werden, als Er in Christus Jesus zu euch gekommen ist? Nein; "denn in Ihm wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig (d. h. körperlich)." (Kol. 2,9.) Und könntet ihr ferner eurerseits durch irgendwelche menschliche Religion völliger vor Gott hingestellt werden, als ihr Ihm in Christus Jesus schon dargestellt seid? Wiederum nein; denn "ihr seid vollendet in Ihm!" (Kol. 2,10.) Für "vollendet" steht hier eigentlich "erfüllt, zur Fülle gebracht"; es ist dasselbe Wort, wie im Vers vorher. Also ist sowohl Gottes als auch des Gläubigen ganze Fülle in Christus . Gott kann uns nicht, un d wir können Ihm nicht in größerer Fülle dargestellt werden, als es in Jesus Christus geschehen ist. Oder: Gott konnte uns nicht näher kommen, als es in Christus geschehen ist; und wir konnten Ihm nicht näher gebracht werden, als es in Christus geschehen ist! - Wie herrlich!

Sollen wir darum Christus nicht über alles schätzen und erheben? Ja, "Gott sei Dank für Seine unaussprechliche Gabe!" {2 Kor 9,15.} Doch du fragst vielleicht: Gibt es denn für den gläu bigen Christen kein Wachstum mehr? O ja, in der Tat!

Das bestätigt uns schon der soeben noch erwähnte Brief an die Kolosser, worin von einem "Kampfpreis", einem "Wachsen" und "Suchen", von einem "Töten", "Ablegen" und "Anziehen" die Rede ist {2,18; 1,10; 3,1.5.8.12.14}. Doch über das Wesen des christlichen Wachstums und über den Sieg und Fortschritt hierin werden wir uns, so der Herr will, auch noch unterhalten, wie auch über mehrere andere Punkte und Stellen in Gottes Wort, deren Bedeutung und Befolgung dir und gewiss noch vielen jungen Christen mit Recht am Herzen liegen.

Heute möchte ich dir und allen jungen Christen nur noch kurz zurufen: "Und nun, Kinder, bleibt in Ihm!" (1. Joh. 2,28) und aus dem Brief an die Kolosser das Wort: "Verharrt im Gebet, und wacht darin mit Danksagung." (4,2.)

So sei denn dem Herrn und Seiner reichen Gnade anbefohlen!

In Ihm in brüderlicher Liebe

dein ...