Freier Zutritt zu Gott als geweihte Priester (4. Brief)

Lieber ...,

in meinem letzten Brief sprach ich schon von einer betrübenden, Gott entehrenden Erscheinung: Viele Gläu bige nehmen ihre Stellung als geliebte Kinder Gottes nicht ein: sie verharren vielmehr zeitlebens im "Armensündertum", oder wollen doch beide Stellungen zugleich einnehmen. Die wahre Bedeutung aller Stellen der Heiligen Schrift, die bezeugen, dass wir durch den Glauben an den Herrn Jesus in ein ganz neues und ewiges Verhältnis zu Gott versetzt oder verpflanzt worden sind, ist ihnen entweder unbekannt oder bleibt ihnen verdeckt. Ich nenne z. B. nur den bekannten Ausspruch des Herrn: "Wahrlich, wahrlich, Ich sage euch: Wer Mein Wort hört und glaubt Dem, der Mich gesandt hat, hat ewiges Leben und kommt nicht in das Gericht, sondern er ist aus dem Tode in das Leben übergegangen." (Joh. 5,24.)

Damit vergleiche den Ausspruch des Apostels: "Dank sagend dem Vater, der uns fähig gemacht hat zu dem Anteil am Erbe der Heiligen im Licht, der uns errettet hat aus der Gewalt der Finsternis und uns versetzt hat in das Reich des Sohnes Seiner Liebe." (Kol. 1,12.13.)

Gott ermahnt uns als solche, deren "Herzen besprengt und so gereinigt" sind "vom bösen Gewissen", und die "den Leib gewaschen" haben "mit reinem Wasser." Also sind wir durch Christi Blut versöhnt und durch das Wasser des Wortes Gottes innerlich erneuert und wiedergeboren, um sozusagen nicht länger draußen im Vorhof zu bleiben, sondern durch den Glauben an das Blut Jesu "mit Freimütig keit", "mit wahrhaftigem Herzen", d. h. ohne Zweifel, und "in voller Gewissheit des Glaubens" hineinzutreten in das Allerheiligste; denn der Vorhang ist zerrissen. (Heb. 10, 19-23.) Das Allerheiligste aber ist für uns die lichte, volle Gegenwart und Gemeinschaft Gottes.

Hiermit hängt auch zusammen, dass diese Gläubigen, wenn sie aus Mangel an Wachsamkeit gesündigt haben, glauben, nochmals als arme Sünder zum Blut Christi kommen zu müssen. Aber die Anwendung und Besprengung des Blutes ist einmalig und wird nie wiederholt. Wer im Glauben an das Zeugnis Gottes über die Kraft des Blutes Christi gerechtfertigt worden ist und Frieden gefunden hat, der steht nicht vor Gott als Sünder einem Richter gegenüber, sondern als Kind dem Vater gegenüber. Und dieses Verhältnis bleibt, es ist ewig.

Wir sind alle geneigt, uns von unseren Gefühlen leiten zu lassen und danach unsere Stellung vor Gott beurteilen zu wollen. Aber unsere Gefühle sind nicht maßgebend, sondern das Urteil Gottes, was Er für uns getan, und was Er selbst in Seinem heiligen Wort über uns sagt. Ein einziges: "Es steht geschrieben!" wiegt mehr als zehntausend Gefühle. Unsere Gefühle täuschen bald nach dieser, bald nach jener Seite.

Dass der Gläubige, wenn er gefehlt oder gesündigt hat, nicht mehr neu zum Blut seine Zuflucht nehmen soll, zeigt uns Gott in verschiedenen Vorbildern und klaren Aussprüchen.

Im 3. Buch Mose Kapitel 8 wird uns erzählt, wie die Priester am Tag, als sie geweiht wurden, ganz gebadet wurden, dann mit Blut betupft und hierauf mit Öl besprengt wurden. Dies geschah nur einmal in ihrem Leben. Aber täglich mussten sie sich im ehernen Meer, an dem sie jedes Mal ihr Weg zum Heiligtum vorüberführte, neu ihre Füße und Hände waschen; anders durften sie nicht ins Heiligtum treten.

Dies ist deshalb lehrreich für uns, weil jetzt alle, die von Herzen an den Herrn Jesus glauben, auch Priester Gottes sind. (1. Petr 2,5-10 und Offb. 1,5.6.)

Die Waschung mit Wasser, oder das Wasserbad ist ein Bild von unserer Wiedergeburt durch Gottes Wort. Das Wasser ist ein bekanntes und passendes Bild vom Wort Gottes, das in der Kraft des Heiligen Geistes die Seele reinigt und erneuert durch die Mitteilung eines neuen, gött lichen Lebens. (Vergl. Joh. 3,5; 4,10; 15,3; Eph. 5,26; Tit. 3,5; Jes. 55,10.11; 1. Petr 1,23; Jak. 1,18 u. a. m.)

Das Blut, das auf den Priester gebracht wurde, wies hin auf das Blut Jesu Christi, des Sohnes Gottes, das rein macht und uns gewaschen hat von allen unseren Sünden. (1. Joh. 1,7; Offb. 1,5.)

Das Öl ist ein anderes, bekanntes Sinnbild; es bedeutet den Heiligen Geist, durch den jedes Herz, nachdem es im Glauben an das Blut Jesu Vergebung gefunden hat, gesalbt und versiegelt wird. (2. Kor. 1,21.22.)

Wir haben also diese drei Handlungen: Die Wieder geburt durch Gottes Wort, die Versöhnung durch Christi Blut und die Versiegelung durch den Heiligen Geist; jede von ihnen ist eine einmalige und wird nie wiederholt.

Damit soll nicht gesagt sein, dass die Seele die Bedeutung, Kraft und den Segen von diesem allem nicht mehr und mehr kennen lerne auf dem Weg der Treue. Aber wie gesagt, nur einmal durch das Blut Jesu Christi gereinigt und versöhnt, und nur einmal durch den Heiligen Geist ver siegelt. Und sie bleibt es.

Aber die Herstellung einer erretteten Seele von jeder Befleckung des Fleisches und des Geistes wird in der täglichen Fußwaschung des Priesters vorgebildet. Sie ist eine tägliche und geschieht nicht durch Blut, sondern auf Grund unseres Bekenntnisses und der Fürbitte des Herrn Jesus, der unser Sachwalter bei dem Vater ist, durch Wasser, d. h. also durch das Wort Gottes. Denn es handelt sich in diesem Fall nicht um die Rechtfertigung eines verlorenen Sünders, sondern darum, einen bereits Erlösten in die Gemeinschaft Gottes und in den Genuss dieser Gemeinschaft zurückzuführen, ihn herzustellen.

Ein schönes Vorbild von dem Vorgang bei einer solchen Zurückführung und Herstellung gibt uns Gott im 4. Buch Mose, Kapitel 19. Dort findet man das Opfer von der roten Kuh. Dass dieses Opfer nicht im dritten Buch Mose erzählt ist, in dem doch sonst alle Opfergattungen und auch die einzelnen Opfer des großen Versöhnungstages aufgeführt werden sondern erst im 4. Buch, das von den Erfahrungen redet, die der durch die Opfer Versöhnte in der Wüste macht, dies zeigt uns schon, dass dieses Opfer eine eigene Bedeutung haben muss.

Doch für heute würde es zu viel werden, wollte ich auf dieses Opfer eingehen. So der Herr will, das nächste Mal.

Bis dahin sei dem Herrn, unserem großen Hohenpriester und treuen Sachwalter, befohlen!

Dein dir treuverbundener ...